Zwischen Expressionismus und Abstraktion – Ausgewählte Werke aus der Sammlung der Kunsthalle

KUMA BLOG

19.11.21
Mathias Listl

Zwischen Expressionismus und Abstraktion – Ausgewählte Werke aus der Sammlung der Kunsthalle

Als Fritz Wichert (1878–1951) 1909 zum ersten Direktor der Kunsthalle ernannt wurde, steuerte die Bewegung des Expressionismus gerade auf ihren Höhepunkt zu. Künstler*innen wie Franz Marc, Paula Modersohn-Becker oder August Macke versuchten in ihren Werken vor allem Emotionen zum Ausdruck zu bringen und dadurch auch die Betrachtenden innerlich zu bewegen. Wie sein Nachfolger Gustav Friedrich Hartlaub (1884–1963) setzte sich auch Wichert intensiv mit dieser vor allem in Deutschland und Frankreich blühenden Strömung auseinander. Er widmete ihr nicht nur zahlreiche Ausstellungen, sondern kaufte auch bedeutende expressionistische Werke für das Museum an. Dieser durch spätere Ankäufe noch erweiterte Sammlungsschwerpunkt bildet den Auftakt der neuen Sammlungspräsentation im westlichen Obergeschoss des Billing Baus. Mit wechselndem Fokus auf die Gattungen Malerei und Skulptur werden in den beiden ersten Ausstellungsräumen Vorläufer*innen wie Hauptvertreter*innen dieser Kunstrichtung präsentiert, darunter etwa Edvard Munchs Utsikt fra Nordstrand (Aussicht von Nordstrand), Franz Marcs Drei Tiere (Hund, Fuchs und Katze) oder Milly Stegers Frauenbildnis.
Vor allem Hartlaub hatte aber auch die fast gleichzeitig mit dem Expressionismus einsetzenden Entwicklungen hin zu einer abstrakten bis gegenstandslosen Kunst im Blick. Eine Art Zwischenbilanz dieser Tendenzen zog er gegen Ende der 1920er Jahre in der Ausstellung Wege und Richtungen der abstrakten Malerei in Europa. Werke damals gezeigter Künstler wie Robert Delaunay, Wassily Kandinsky oder Paul Klee bilden deshalb den Abschluss des kleinen Rundgangs vom Expressionismus bis hin zu abstrakten Positionen. Einem Meisterwerk des italienischen Futurismus ist schließlich ein weiterer Raum gewidmet: Umberto Boccionis 1913 entstandene Urformen der Bewegung im Raum können die Besucher*innen in einer Einzelpräsentation hautnah und aus unterschiedlichsten Position heraus betrachten.
Darüber hinaus bietet die neue Sammlungspräsentation aber auch Einblicke in die Provenienzforschung, die in den letzten Jahren an der Kunsthalle geleistet wurde. In den sog. Provenienzboxen, die einzelnen Gemälden und Skulpturen zugeordnet sind, finden sich aus den Recherchen gewonnene Erkenntnisse über die Herkunftsgeschichte des jeweiligen Werks.

Weitere Blogbeitraege

„Unheil“

Dieser Text wurde verfasst als Einführung zu einer Vorführung des Films „Unheil“ von John Bock im Rahmen der Filmreihe Film & Kunst im Cinema Quadrat, Mannheim, am 15.06.2023. Hier liegt der Text nun in leicht überarbeiteter Fassung vor. Über den Vergleich mit anderen Arbeiten von Bock und mit Filmen von Christoph Schlingensief wird „Unheil“ in das... Blogbeitrag lesen

Nationalsozialistische Raubkatzen

Philipp Harth (1885-1968) – ein Name, der selbst vielen Kunstinteressierten heute kein Begriff mehr sein dürfte. Dabei gilt er der Kunstgeschichte als „[…] zweifellos der bedeutendste dt. Tierbildhauer der Zwischen- und Nachkriegszeit, der wesentlich zu Erneuerung des Sujets beigetragen hat.“(1) Seine Aufsätze zur Bildhauerei wurden seinerzeit von einem... Blogbeitrag lesen

A way of resisting (Athens Data Garden), 2020

Next to human activities such as burning fossil fuels and deforestation the exponentially growing digital data-driven economy contributes to climate crisis with energy intensive infrastructures such as data centres. By 2024 storing data is set to create around 14% of the world’s emissions, which is around the same amount that US creates today. Abb 1: A... Blogbeitrag lesen

Kunst im Schwebezustand

Der Künstler Tomas Kleiner hat für die Ausstellung "1,5 Grad. Verflechtungen von Leben, Kosmos, Technik" ein performatives Atelier eingerichtet, in dem er an drei Terminen artenübergreifende Flugübungen durchführt. Kuratorin Anja Heitzer hat sich intensiver mit seinem Werk beschäftigt.      Abb.: Tomas Kleiner, Performatives Atelier, 2023;... Blogbeitrag lesen

Das große Fressen

Nahezu 200 Werke zählt die Ausstellung 1,5 Grad. Eines davon stellt der Kurator Sebastian Schneider genauer vor: Brakfesten / La Grande Bouffe von Anne Duk Hee Jordan und Pauline Doutreluingne. Hier erläutert er, was ihn an dem Werk begeistert und warum es für die Ausstellung ausgewählt wurde. Abb. 1 Anne Duk Hee Jordan & Pauline Doutreluingne,... Blogbeitrag lesen