Ein junger Visionär: Fritz Wichert der erste Direktor der Kunsthalle Mannheim

KUMA BLOG

10.06.20
Karolin Erber

Ein junger Visionär: Fritz Wichert der erste Direktor der Kunsthalle Mannheim

„Ein Stratege im Dienste der Menschlichkeit“, so wurde der erste Direktor der Mannheimer Kunsthalle, Fritz Wichert (1887-1951), vom Schriftsteller Wilhelm Hausenstein beschrieben.
Bei seinem Amtsantritt 1909 war der junge Museumsleiter 31 Jahre alt. Er legte zahlreiche wichtige Bausteine, die die Sammlung und Ausrichtung des Hauses heute noch bestimmen. Wer also war der junge Visionär?
Fritz Wichert wurde 1887 in Mainz-Kastel geboren und entschied sich für ein Studium der Kunstgeschichte in Freiburg, Basel und Berlin. Nach seinem Abschluss 1906 fand Wichert eine Anstellung als Assistent am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt. Nebenbei war er als Kunstkritiker tätig.
Mit dem heute noch bestehenden Jugendstil-Bau eröffnete die Kunsthalle im Dezember 1909 als erstes Museum Mannheims. Bei der Suche nach einem Museumsleiter überzeugte Wichert mit seiner Begeisterungsfähigkeit und seinen ambitionierten Plänen für die Neugestaltung der Mannheimer Sammlung. Bei seiner ersten Präsentation, der sogenannten „Meisterausstellung“ stellte er seine angestrebte moderne Sammlungspolitik vor. Gezeigt wurden 100 Werke von Künstlern wie Paul Cézanne, Gustave Courbet, Edgar Degas, Anselm Feuerbach, Edouard Manet, Claude Monet, Auguste Renoir. Fritz Wichert legte dabei den Fokus auf klassische französische Malerei des 19. Jahrhunderts, monumentale Menschendarstellungen und Werke der nationalen Kunstszene.
Schon im Februar 1910 konnte Wichert das Herzstück der Mannheimer Sammlung, Edouard Manets „Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“, mit privaten Spenden erwerben. Es folgten Meisterwerke von Monet, van Gogh und Cézanne. Gleichermaßen wurden auch bedeutende deutsche Arbeiten angekauft, beispielsweise von Anselm Feuerbach, Lovis Corinth oder Max Liebermann. 1919 wurde der Aufbau der Sammlung mit Werken expressionistischer Künstler erweitert, darunter Max Pechstein, Franz Marc und Ernst Ludwig Kirchner. Und auch auf den Aufbau einer Skulpturensammlung, die heute den Ruf der Kunsthalle ausmacht, legte Wichert großen Wert.
Zwei weitere Aspekte sind für Wicherts Direktionszeit bedeutend: Sein Ausstellungsprogramm, das immer eng mit seinem Sammlungskonzept verknüpft war. Ebenso wichtig war ihm die Bildung und Bindung des Publikums an die Kunst – heute genannt Kunstvermittlung. Hierfür gründetet er 1911 den „Freien Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst in Mannheim“, der die Kunst – so der Visionär Wichert – „dem Verständnis möglichst aller Schichten der Mannheimer Bevölkerung“ erschließen sollte.
Der erste Kunsthallen Direktor Fritz Wichert setzte also bedeutende Eckpfeiler im Profil der Kunsthalle Mannheim mit weitreichender Strahlkraft bis heute.In Kubus 0, im ersten Obergeschoss des Neubaus wird der mutigen Ankaufspolitik Wicherts Tribut gezollt. Es werden Ankäufe deutscher Kunst gezeigt, während ab Juli in Kubus 1 die französische Kunst mit Manets berühmtem Historienbild im Zentrum, präsentiert wird.

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