Die Sammlung im Fokus
Schauen Sie mal wieder im Jugendstil-Gebäude der Kunsthalle vorbei, wir haben die Räume des Obergeschosses neu eingerichtet. Vorgestellt werden nicht nur Meisterwerke unserer Sammlung, es wird auch ein Blick auf die Museumsgeschichte mit besonders wichtigen Ausstellungen und Ereignissen geworfen: Kunstgenuss und Kunstgeschichte gleichermaßen.
Seit 1909 prägt die Kunsthalle als Museum bekanntlich das kulturelle Leben Mannheims. Mit Spitzenwerken von Manet bis Bacon und einem einzigartigem Skulpturenschwerpunkt zählt sie zu den renommiertesten bürgerschaftlichen Sammlungen der deutschen Museumsszene. Von der Gründung an wurden programmatische Ausstellungsprojekte realisiert, die nicht nur auf die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts wirkten, sondern auch Schwerpunkte in der Sammlung bildeten und den jeweilig aktuellen Kunstdiskurs widerspiegelten und Diskussionen in der Fachwelt wie beim Publikum anregten. Prominentes Beispiel hierfür ist die von Gustav Friedrich Hartlaub kuratierte Ausstellung ‚Die Neue Sachlichkeit‘ (1925), mit der die dem Realismus verpflichtete Kunst der 1920er-Jahre ihren stilbildenden Namen erhielt. Fritz Wichert und Hartlaub, die beiden ersten Direktoren der Kunsthalle, setzten sich zudem auch intensiv mit der Bewegung des Expressionismus auseinander. Beide widmeten dieser in den 1910er-Jahren dominierenden Kunstrichtung zahlreiche Ausstellungen und kauften bedeutende expressionistische Werke für das Museum an. Vor allem Hartlaub beobachtete aber auch die fast gleichzeitig mit dem Expressionismus einsetzenden Entwicklungen hin zu einer abstrakten bis gegenstandslosen Kunst mit großem Interesse. In der Ausstellung „Wege und Richtungen der abstrakten Malerei in Europa“ zog er gegen Ende der 1920er-Jahre eine Art Zwischenbilanz dieser Strömung.
Die Zeit des Nationalsozialismus setzte in der Museumsgeschichte eine deutliche Zäsur. Rund 100 deutsche Kunstmuseen waren im Sommer 1937 Schauplatz einer maßlosen „Säuberungsaktion“: Möglichst alles, was dem nationalsozialistischen Kunstverständnis widersprach, sollte aus öffentlichen Sammlungen entfernt werden. Auch die Kunsthalle war unter den betroffenen Institutionen. In zwei Aktionen wurden aus ihren Beständen annähernd 600 Werke zeitgenössischer Künstler*innen als „entartet“ beschlagnahmt. Die seit den 1910er-Jahren aufgebaute Mannheimer Moderne-Sammlung wurde so brutal zerschlagen. Auch dies ist Thema in unserem neuen Sammlungsrundgang, ergänzt um Erkenntnisse über die Herkunft einzelner Gemälde und Skulpturen. In den sog. Provenienzboxen finden sich Ergebnisse der Provenienzforschung an der Kunsthalle. Innerhalb dieses Projektes wurde die Sammlung des Museums systematisch nach NS-Raubkunst durchsucht.
Der Neuanfang der Museumsarbeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs unter Walter Passarge und dann unter Heinz Fuchs stand unter den Aspekten der Schließung der durch die Nationalsozialisten verursachten Sammlungslücken, aber auch des Ausbaus des Skulpturenschwerpunktes und der Ausweitung in eine internationale Perspektive. Die die 1950er-Jahre beherrschende abstrakte, ‚informelle‘ Malerei Deutschlands fand bereits 1957 ihren Eingang in die Kunsthalle, wenig später widmete man sich dem Thema auch im Hinblick auf eine europäische Perspektive. Zu den bedeutenden Einzelschauen des Museums zählt die Ausstellung von Werken des Engländers Francis Bacon, der 1962 in der Kunsthalle auf dem Kontinent Premiere feierte. So anerkannt Bacon heute ist, so umstritten war damals seine Kunst. Sein Gemälde ‚Papst II‘ zählt heute zu den Highlights der Museumssammlung, wir zeigen es im Dialog mit einem weiteren Meisterwerk, der Skulptur „Der Platz“ von Alberto Giacometti. Ein weiterer Schwerpunkt ist schließlich den Arbeiten der ‚Nouveaux Rèalistes‘ gewidmet, eine in den 1960ern von Paris ausgehende Bewegung, die sich den Materialien des Alltags öffnete. Hier lassen sich etwa Arbeiten von Niki de Saint Phalle und Daniel Spoerri entdecken.
Ein Zeitstrahl im Umgang der schönen Kuppelhalle fasst die wichtigsten Ereignisse zum Einstieg oder zur Vertiefung zusammen. Und wenn Sie mehr dazu lesen und schauen wollen, sei Ihnen der Band „Meisterwerke“ empfohlen, den Sie im Museumsshop erwerben können, im Übrigen auch ein schönes Weihnachtsgeschenk!