Interview mit der Mannheimer Künstlerin Barbara Hindahl
Noch zwei Wochen (bis 1.11.20) zeigen wir die Ausstellung „FAKE & FICTION - Barbara Hindahl“ in der Kunsthalle Mannheim. Die abstrakt anmutenden Gebilde, die sich scheinbar chaotisch und doch kunstvoll über Barbara Hindahls Arbeiten bewegen, verführen dazu, genau hinzusehen. Die Mannheimer Künstlerin überrascht den Betrachter mit Spuren des Alltags, die sonst übersehen werden. Staubflusen etwa untersucht sie akribisch und zeichnet sie hyperrealistisch auf großformatige Blätter. Andere Werke zeigen Geister. Wir haben sie gefragt, wie es zum Interesse an diesen beiden Themen kam.
Was interessiert Sie an einem eigentlich so negativ besetzten Thema wie Staub?
Es interessieren mich immer Orte und Gegenstände, die von der allgemeinen Wertung unter den Tisch fallen. Und hier geht es los mit meinem Interesse an Staub. Staub ist extrem fein und auf einem sehr großen Blatt von 1,50 auf 2,0 Meter sieht eine kleine Staubansammlung unglaublich verloren aus. Auf der weißen Fläche ist zunächst nicht ersichtlich, was für eine Beziehung der Staub dazu einnimmt. Staub lässt sich nicht komponieren. Ich gebe ihn minutiös wieder und finde gerade den Prozess so spannend, wie er sich selbst verteilt. Windstöße, Erschütterungen, eigener Atem oder ein Luftzug beim Vorbeigehen verändern dabei die Lage des Staubs. Dabei verbreiten sich schwerere Teile weniger als Leichte und ein weitgefächertes Repertoire an Verteilungen entsteht. Ein negativ belegtes und als lästig empfundenes Material erscheint also in anderem Zusammenhang als ein Medium der extremen Feinheit und Sensibilität. Die Schönheit des Staubs entwickelt Poesie. Diese Diskrepanz interessiert mich schon sehr lange in ganz unterschiedlichen Arbeiten. Der menschliche Geist ist immer bestrebt, Dinge zu beseelen und auch zu idealisieren. Da liegt die Verbindung von meinen Zeichnungen zum Universum und stellaren Konstellationen nahe. Wiederholt wurde ich auch schon gefragt, ob es sich um interstellaren Staub handelt – die Grundlage allen Seins.
Woher kommt der Staub für Ihre Zeichnungen?
Tatsächlich kommt der Staub aus meiner Küche, aus meinem Atelier, von anderen Orten, an denen ich mich länger aufhalte z. B. einer ehemaligen Stofffärbefabrik in Itu, São Paulo und aus den Wohnungen von Freund*innen und Kolleg*innen. Als ich mir einmal aus der Schweiz den Staub unter dem Sofa eines Freundes habe schicken lassen, habe ich klugerweise die verschiedenen Schichten, die um das Schächtelchen mit dem Staub gewickelt waren, beim Auspacken fotografiert. So war gewährleistet, dass ich keinen Staub verlor. Als ich diese Fotos meinem Freund schickte, sagte er, dass Staub fehle. Der Schweizer Zoll ist eben sehr streng (lacht). Gott sei Dank hatte mein Freund auf einem Zettel im Paket darauf hingewiesen, dass es sich um ein Kunstobjekt handelt.
Sie zeichnen mit Staub eigentlich Trompe l´oeils. Warum ist das heute noch angesagt?
Das ist eine sehr gute Frage. Mich interessiert die kleine Diskrepanz zwischen dem, was es vorgibt zu sein und dem, was es wirklich ist – es, das Dargestellte, das Repräsentierte.
In Verbindung mit den Sujets, die eigentlich nicht darstellungswürdig sind, sind der Aufwand an Zeit und auch die Akribie eine Wertschätzung der Sujets. Akribisch zeichne ich die Lagen der Staubkörner und größere Brösel. So geht diese flüchtige Verteilung nicht verloren und setzt in einer völlig anderen Welt feinste Wahrnehmungen und Überlegungen in Gang.
Sie zeichnen nicht nur Staub, sondern auch Geisterwelten – aber gibt es überhaupt Geister und was reizt Sie an diesem Thema?
Zumindest weiß man nicht, dass es keine Geister gibt (lacht). Das Nicht-Wissen reizt mich also an dem Thema. Es ist wieder eine Schnittstelle zwischen dem, was man glaubt und dem, was man weiß. Glauben heißt nicht wissen. Es gibt Leute, die glauben eben an Geister, andere tun es wieder nicht – beides ist nicht bewiesen. Die Geisterdarstellung hat mit der Erfindung der Fotografie Einzug erhalten. Das sind auch meine Quelle, denn ich zeichne viele meiner Geisterdarstellungen nach Fotos. Meine Zeichnungen sind dabei sehr offen und frei gezeichnet. Zum Teil lösen sich die Zeichnungen formal auf. Die Reduktion der Darstellung – also weg von der Dingwelt – schafft den Geist. Für den Betrachter ist es die Möglichkeit, Nichtfassbarkeit zuzulassen und in das Reich des Ungreifbaren einzutauchen.