Gleich mit einem seiner ersten Ankäufe, dem Gemälde „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko“, 1868/69, von Edouard Manet, gelang Gründungsdirektor Fritz Wichert im Jahr 1910 ein Coup, der größte Aufmerksamkeit erlangte, aber auch enormen Widerstand hervorrief. Mit dieser Erwerbung positionierte sich Wichert in einer Reihe mit anderen Direktoren großer deutscher Museen im Kampf um die Moderne. Mannheim sah sich plötzlich im Zentrum der deutschlandweiten Diskussion um die französische Malerei – eine Debatte, die nicht nur kunsthistorisch, sondern auch politisch geprägt war.
Doch schon das Bild selbst sorgte zu Lebzeiten Manets für einen Skandal, denn der Künstler brachte das Scheitern der französischen Außenpolitik in Mittelamerika zum Ausdruck, in dem er den Kaiser als deren Opfer darstellte. Kurz nach dem politischen Desaster begann Manet 1867 die Auseinandersetzung mit dem Thema, das er in drei Gemäldefassungen verarbeitete. Die Mannheimer Fassung des Gemäldes ist die dritte und letzte und erhielt zu Manets Lebzeiten Ausstellungsverbot.
Fritz Wichert hatte in seinem Sammelkonzept, das er 1910 vorlegte, den Hauptakzent auf die klassische französische Malerei des 19. Jahrhunderts gelegt, die er für vorbildhaft hielt. Der gleich nach seinem Amtsantritt in die Wege geleitete Ankauf von Manets Gemälde war die adäquate Umsetzung dieses Anspruchs. Es erstaunt noch heute, wie schnell und unter welchen Umständen sich diese Erwerbung realisieren ließ, denn die veranschlagten 90.000 Mark waren von neun Mannheimer Bürgerinnen und Bürgern aufgebracht worden. Begleitet wurde der Vorgang sehr geschickt durch Wicherts Pressearbeit, die darauf zielte, den Ankauf auch überregional als herausragendes Ereignis darzustellen. Stolz hatte er bereits im Januar 1910 in einem Zeitungsbericht in die Zukunft geblickt: „Es wird sich erweisen, daß dieses Bild unserer Galerie zu dauerndem Ruhm gereicht. Wer die süddeutschen Museen bereist, darf an der Stadt der ›Erschießung‹ Manets nicht achtlos vorübergehen. Sie wird allein dafür sorgen, daß Mannheim unter den nennenswerten Galeriestädten einen Rang von Bedeutung einnimmt …; dies ist nicht vorübergehend, sondern für alle Zeit.“
Doch es bleibt nicht bei der Erwerbung dieses Gemäldes. Wichert setzte sein Konzept zielstrebig um: Nachdem bereits 1909 Daumiers Gemälde „Die Kupferstichliebhaber“ angekauft worden war, folgten zwischen 1910 und 1916 Werke von Delacroix, Courbet, Monet, Van Gogh, Pissarro, Corot, Cézannes und Sisley, die Wichert im sogenannten „Franzosensaal“ präsentierte.
Auch im Bereich der Skulptur wies Wichert den Franzosen Vorbildfunktion zu und war bestrebt, dem Bestand einen französischen Akzent zu verleihen. Er erwarb zwei Werke von Maillol, scheiterte jedoch zunächst trotz intensiver Bemühungen bei seinem Versuch, ein Werk des bedeutenden französischen Bildhauers Auguste Rodin zu erwerben. Erst seinen Nachfolgern gelang die Erwerbung von Skulpturen Rodins, Degas‘ und Daumiers.
Zu Wicherts Zeit griffen nationalistische Kreise immer wieder die an französischer Malerei orientierte Ankaufspolitik der deutschen Museen an. Doch vernachlässigte Wichert die deutsche Kunst keineswegs, sie sollte schließlich im Vergleich zur französischen den größeren Umfang in der Sammlung haben. Es gelangen ihm bedeutende, von seinen Nachfolgern ergänzte Erwerbungen von u.a. Anselm Feuerbach, Lovis Corinth, Max Liebermann, Max Slevogt und Hans Thoma, die er im sogenannten „Deutschen Meistersaal“ präsentierte.
In Mannheim personifizierte sich der Widerstand in Gestalt des Rechtsanwalts und Stadtrats Theodor Alt, der 1911 seine Ansichten in einem mehr als 500 Seiten starken Buch mit dem Titel „Die Herabwertung der deutschen Kunst durch die Parteigänger des Impressionismus“ darlegte. Doch schon im Jahr zuvor hatte man in Bremen gegen die avantgardistische Ankaufspolitik des dortigen Kunsthallen-Direktors Gustav Pauli opponiert, ausgelöst durch dessen Ankauf von Vincent van Goghs Gemälde „Mohnfeld“. Wortführer war der Maler Carl Vinnen mit seiner Broschüre „Ein Protest deutscher Künstler“, den 140 Künstler und Kunstschriftsteller unterstützten. Ihr Leitmotiv war die „Überfremdung“ der Museen durch die Franzosen und die Benachteiligung der deutschen Künstler als Ausdruck einer falschen Museumspolitik. Die wichtigsten Punkte des Protests bezogen sich auf nationalistische, künstlerische sowie finanzielle Aspekte. Bereits im Juli 1911 erschien die Gegenschrift „Im Kampf um die Kunst“, in der 47 Künstler – darunter Max Beckmann, Lovis Corinth, Wassily Kandinsky, Max Liebermann, August Macke, Franz Marc und Max Slevogt – sowie 28 Galeristen und Kunstkritiker auf Vinnens Polemik antworteten.
Sehr schnell wurde klar, dass der Vorwurf der Bevorzugung der französischen Kunst rein statistisch nicht haltbar war. Vinnens und Alts nationalistische Töne kehrten jedoch in vielen Kunstdebatten der Weimarer Zeit wieder, um schließlich in die nationalsozialistische Kunstpropaganda zu münden.