Ausgangspunkt der Studio-Ausstellung ist die Videoarbeit "I‘m Not The Girl Who Misses Much" von Pipilotti Rist aus dem Jahr 1986, die Teil der Sammlung der Kunsthalle Mannheim ist. Das Video zeigt die Künstlerin in einem schwarzen Kleid, tanzend in einem mal weißen, mal roten, mal blauen Raum. Das von Rist immer wieder gesungene Mantra ist eine Adaption des 1968 erschienenen Beatles-Songs "Happiness Is a Warm Gun" – eine spielerisch-feministische Kritik an der platten, meist sexistischen Wahrnehmung von Weiblichkeit in Fernsehen und Musikbranche. Ihr Kurzfilm erzählt von Mut und Melancholie, vom Hinfallen und Aufstehen, von Widerstand und Selbsterkundung.
Rists Arbeit zum Ausgangspunkt nehmend, wird das Studio zu einem Ort des Träumens, Kritisierens und Nachfragens der Mannheimer Stadtgesellschaft. Verschiedene Initiativen sind eingeladen, ihre Perspektiven, Haltungen und Fragen im Spannungsfeld von Feminismus, Kunst und populärer Kultur sichtbar zu machen.
In künstlerischer Kooperation mit dem Mannheimer Stadtensemble, Nationaltheater Mannheim, und dem Queeren Zentrum Mannheim e.V. (QZM)
Kuratorin: Christina Bergemann
Gefördert durch:
Diese Ausstellung wurde durch eine Benefizauktion der ARTgenossen, des jungen Fördervereins der Kunsthalle Mannheim, ermöglicht.
Pipilotti Rist: I’m Not The Girl Who Misses Much (Filmstills), 1986. Kunsthalle Mannheim © VG–Bildkunst, Bonn 2023/Pipilotti Rist
Andrea Chagas & QZM – Queeres Zentrum Mannheim e.V.
Der biochemische Prozess der Osmose steht für die Bewegung des Sich-Vermischens, des Auflösens von Grenzen eines binären Systems. In dem Video Osmose: active fault wird die Selbsterkenntnis und das Dilemma einer jungen Frau gezeigt, zwischen Liebe und Religion zu entscheiden. Dabei erkunden wir auch den Zusammenhang von Genderidentität, Politik und Religion in der Geschichte der queeren Community und fragen: Was geschieht mit der Psyche eines Menschen, der in einem Glauben aufgewachsen ist, der Homosexualität als Krankheit sieht? Was geschieht mit einem Menschen, dessen Familie sich vom eigenen Kind abwenden würde, wenn sie erfährt, dass das Kind queer ist? Der semidurchlässige Behälter repräsentiert das Patriarchat, er trennt Welten, Glaubensrichtungen, Menschen und definiert sie in Hierarchien – danach, was sie „sind“, haben oder „nicht sind“ oder was ihnen fehlt. Ein Teil der Gesellschaft ist dadurch meistens positiv besetzt – cis, Mann, hetero, weiß, able-bodied, schlank, gebildet, Logik, Aktivität usw. (entspricht der Wasserkonzentration mit höherem Druck) – während der andere Teil der Gesellschaft als negativ stigmatisiert wird – Frau, trans, LGBTQIA+, BIPoC, fat, ungebildet, Intuition, Passivität, u.a. – (entspricht der Wasserkonzentration mit niedrigerem Druck). Solange es eine Membran zwischen beiden Wasserkonzentrationen gibt kann keine gleiche Verteilung – keine Gleichberechtigung – existieren. In Anlehnung an Pipilotti Rists I Am Not A Girl Who Misses Much wird ein zerstörerischer Impuls in etwas Hoffnungsvolles verwandelt mit selbstbestimmten Bildern von Sinnlichkeit, Intimität und Befreiung.
2023 / Video
Produktion, Regie und Postproduktion: Andrea Chagas
Kamera: Alize Adamopoulos / Andrea Chagas
Animation: Bendeform
Audio: Kysha Schott
Cast: Aylin, Anna Roth, Jule Seiler, Ilka Kaufmann, Alize Adamopoulos, Flora, Raphael Wilberg, Cilly Dickmann, Katrin Hofner, Besa Demiri, Annick Mörth, Leonardo Olavarrieta, Laura Riedl, Laura Lenz, Eddi Bludau, Anna Krentz, Juliette Jiouo, Katharina Gierl, Nicki Oup
Mannheimer Stadtensemble, NTM
„misses much“ des Mannheimer Stadtensembles nimmt den Titel I’m Not The Girl Who Misses Much unter die Lupe. Das Verb „to miss“ kann auf Deutsch unterschiedlich übersetzt werden, z.B. mit vermissen, (ver)fehlen, verschießen, übersehen, verpassen… Welche feministischen Körper vermissen wir? Welche übersehen wir? Welche Verbindungen verpassen wir? Auf der Suche nach geeignetem Material begegneten dem Stadtensemble selbstermächtigte Figuren, die sich aktuell patriarchalen Normen wiedersetzen und gegen sie ankämpfen. Darunter sind: eine Frau, die während der Proteste im Iran ihr Kopftuch verbrennt, der Auftritt von Pussy Riot in einer Moskauer Kirche, die Aktion der chilenischen Feministinnen Las Tesis oder die Künstlerin Peaches. Die Bilder und Videos werden auf die Körper der Mannheimerinnen projiziert. Aus dieser Verbindung ergeben sich folgende Fragen: Wie sind wir miteinander verbunden? Welche Auswirkung hat der weibliche Körper im globalen Kontext? Wie nah sind die Themen für uns hier in Mannheim? Wie geht Solidarität auf Entfernung? Mit Sprache, Bewegungen und Farbe nehmen die sechs Mannheimerinnen aus verschiedenen Generationen Bezug auf Pipilotti Rists frühe Videokunst der 1980er Jahre und verbinden sie mit der Gegenwart.
2023 / Video
Konzept: Nazli Saremi
Sound / Schnitt: Friedrich Byusa Blam
mit Berrin Seker, Lena Hauke, Tina Stottko, Claudia Pflaum-Richter, Ricarda Walter, Susanne Kugler, Ceyda Özcelik
Mitarbeit: Henri Möhren & Michael Schreiber
In der Performance Misses Much des Mannheimer Stadtensembles werden Auszüge aus der Inszenierung “Wir sind so frei” mit Texten von Gerhild Steinbuch verwendet.
Weitere Texte stammen von @nazlinaznaz @localbrownbaby @freeda_en @bisexual_oppression_olympics1 (Instagram) und aus den Songs „Introvert“ und „Woman“ von Little Simz.
Mannheimer Stadtensemble, Nationaltheater Mannheim unter der künstlerischen Leitung von Beata Anna Schmutz
PUBLIKATION
STUDIO: Reload: Feminism
Eine Veröffentlichung der / Published by Kunsthalle Mannheim
Herausgeber*innen: Johan Holten und Christina Bergemann
Mit einem Essay von Christina Bergemann
Ein Ausstellungsprojekt ausgehend von der Videoarbeit "I’m Not The Girl Who Misses Much" von Pipilotti Rist in künstlerischer Kooperation mit Nazli Saremi & dem Mannheimer Stadtensemble, Nationaltheater Mannheim und Andrea Chagas & dem Queeren Zentrum Mannheim e.V.
32 Seiten, 26 Farbabbildungen
Größe: 24 x 17 cm
Deutsch / Englisch
Softcover, Gestaltung / Design: Alexander Lorenz
Erscheinungsjahr: Mai 2023
Preis im Museumsshop: 5 Euro
Im #KuMaBlog
Reload: Feminism oder: Bin ich eine Person, die viel vermisst?
von Christina Bergemann
Für die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist gibt es in der Kunst keine Tabus und keine feste Ordnung: Im Medium des Videos kombiniert sie Unheimliches und Vertrautes und kreiert Bilder, die sich mit Körperlichkeit, Intimität und Sexualität beschäftigen. So auch in der 1986 gedrehten Videoarbeit I’m Not The Girl Who Misses Much, mit der sie in den 1980er-Jahren die Kunstwelt erstmals auf sich aufmerksam macht.
#KuMaLive
Die gesamte Eröffnung im Livestream
Sie haben das STUDIO-Opening zu "RELOAD: FEMINISM" verpasst? Wir haben die gesamte Veranstaltung am 01.03.2023 von 18:45 bis 20:00 Uhr in unserem Livestream via Instagram mit Direktor Johan Holten, Kuratorin Christina Bergemann, den ARTgenossen, dem Mannheimer Stadtensemble (NTM) und dem Queeren Zentrum Mannheim e. V. (QZM) aufgezeichnet.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Aufnahme bis zu den Vorträgen und Performances ohne Ton aufgezeichnet wurde.
Die aufgezeichneten Reden und Performances mit Ton finden Sie an folgen Stellen im Livestream-Video:
00:18:30 - Grußwort Direktor Johan Holten
00:21:00 - Kuratorin Christina Bergemann
00:23:10 - ARTgenossen
00:26:40 - Kuratorin Christina Bergemann
00:47:15 - Performance „misses much“, Mannheimer Stadtensemble, Nationaltheater Mannheim
01:07:00 - Performance „Osmose - active fault“ Queeres Zentrum Mannheim e. V. (QZM)
Video © Kunsthalle Mannheim; Julia Laukert
STUDIO
Im STUDIO präsentiert die Kunsthalle Mannheim aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst. Das STUDIO gewährt dem transdisziplinären Experiment seinen Freiraum. Hier sehen die Besucher*innen in Wechselausstellungen neue Werke von internationalen Kunstschaffenden mit überraschenden Themen und Fragestellungen.