
Daniel Spoerri, "Ein Tisch aus dem Restaurant Spoerri", 1968, Kunsthalle Mannheim
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022 (Foto: Kunsthalle Mannheim / Margita Wickenhäuser)
1. Kurz gesagt
Hier könnt ihr Näheres über das Werk erfahren und euch zusammen mit unserer Kunstvermittlerin Laura Löwe auf Spurensuche begeben.
2. Wer, wie, was
3. Unter die Lupe genommen
Daniel Spoerri, Restaurant Spoerri, 1968 1968 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Foto: Kunsthalle Mannheim / Margita Wickenhäuser (Gesamtansicht) / Eva Winter (Details)
4. Die Nouveaux Réalistes
Die Nouveaux Réalistes befassten sich in den 1960er Jahren mit der Wirklichkeit, also der sichtbaren Welt um sie herum. Dies taten sie aber anders als beispielsweise ein klassischer Maler. Statt einen gedeckten Tisch zu malen, nahm Daniel Spoerri den Tisch mitsamt Geschirr und hängte ihn an die Wand. Die Menschen am Tisch - also der Zufall und nicht die Hand des Künstlers - bestimmten, wie das Kunstwerk aussah.
Mit Scharfsinn und Humor gingen die Künstler des Nouveau Réalisme gegen ein verstaubtes, unzeitgemäßes Kunstverständnis vor.
Jede Künstlerin und jeder Künstler des Nouveau Realisme fand ganz eigene Ausdrucksformen, um das alltägliche Leben in die Kunst einzubinden. Jean Tinguely entwarf bewegliche oftmals laut ratternde Skulpturen. Während er das Zeitalter der Maschinen in seinen Werken aufleben ließ, befasste sich Daniel Spoerri mit den Spuren, die das Alltagsleben hinterließ. Wie ein Detektiv nimmt der Künstler bis heute die Dinge des Alltags genau unter die Lupe und sammelt Gegenstände, die von der Zeit und ihrem Gebrauch gezeichnet sind. Auch die Zubereitung und der Verzehr von Mahlzeiten spielen eine große Rolle in Daniel Spoerris Schaffen, so wie bei "Restaurant Spoerri".
5. Challenge: Sherlock Holmes, an die Arbeit!
6. Restaurant Spoerri und die EAT ART Gallery
Daniel Spoerri, der in Bern, Darmstadt, New York und Paris gelebt hatte, kam 1968 nach Düsseldorf. Er brachte 500 DM, zwei Koffer und den Plan mit, ein Restaurant zu eröffnen.
Am 17. Juni 1968 war es soweit: Die Tore des "Restaurant Spoerri" öffneten sich. Wegen seiner ungewöhnlichen Einrichtung - die Wände waren mit Briefen des Künstlers beklebt - der besonderen Gerichte und der Veranstaltungen war das Lokal schnell stadtbekannt.
Daniel Spoerri nutzte die Gelegenheit, wunderliche Gerichte seiner großen Rezeptsammlung auszuprobieren. Neben Hausmannskost sollen auf der Karte Pytonschnitzel oder Ameisenomelette gestanden haben. Wie er selbst zugab, konnte nicht jedes Rezept überzeugen. Hahnenkämme in Sülze waren wohl nicht jedermanns Sache. Daniel Spoerris großes Interesse für die Kochkunst und das gemeinschaftliche Mahl spiegelt die Idee der sogenannten "Nouveaux Réalistes" wider. Sie wollten die Bereiche Kunst und Leben einander annähern. Daniel Spoerri band in seinen Fallenbildern das alltägliche Leben ein. Oft geschah dies über die Esskultur. Am Anfang stehen die zubereiteten Gerichte, die von den Gästen verzehrt werden. Es folgen die Spuren, die die Gerichte auf dem Geschirr hinterlassen und die ganz persönlichen Spuren, die jeder einzelne Gast auf dem Tisch hinterlässt.
Sein Restaurant umschrieb er einmal so:
"(...) eigentlich ein Atelier, in dem man seine Tischplatte, an der man gerade gegessen hatte, mitsamt dem Besteck, sozusagen als Selbstporträt des gerade vergangenen Mahls, für 1000,- Mark bestellen könne..." (Daniel Spoerri In: Elisabeth Hartung: Daniel Spoerri presents Eat-Art. 2001, S. 79.)
Zusammen mit seinen Künstlerfreunden veranstaltete er außergewöhnliche Festessen in seinem Restaurant. Es gab beispielsweise Füße aus Brotteig oder knallbunte Gerichte. Für diese Art von Kunst, die essbar war, erfand Daniel Spoerri den Begriff Eat-Art. Der Eat-Art widmete er eine eigene Galerie, die zunächst direkt über dem Restaurant lag. Bedeutende Künstler stellten hier aus.
Das Restaurant Spoerri schloss 1982 seine Tore, der Künstler hatte sich aber bereits 1971 aus dem Betrieb zurückgezogen.
7. Wieso nur?
8. Wusstes du?
9. Explore: Stillleben
Der gemalte Alltag
Dass sich Künstler*innen mit dem alltäglichen Leben befassen, ist nicht neu. Nachdem im Mittelalter in Europa vorwiegend Personen und Geschichten aus der Bibel dargestellt worden waren, wandten sich die Künstler allmählich der Welt zu, die sie umgab. In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts (Goldenes Zeitalter genannt) entstanden Gemälde, die ganz gewöhnliche Menschen bei alltäglichen Handlungen zeigten - zum Beispiel beim Lesen eines Briefes. Manche Künstler dieser Zeit spezialisierten sich sogar auf das Malen von Alltagsgegenständen. In solchen Stillleben waren keine Menschen zu sehen, sondern nur Dinge. Es gab ganz unterschiedliche Arten von Stillleben etwa Blumenstillleben oder Mahlzeitstillleben. Jeder einzelne Gegenstand wurde sorgfältig ausgewählt. Dabei mussten sie nicht einmal vor dem Künstler auf dem Tisch liegen. Der Künstler führte sie erst im Bild zusammen. Daher konnten Blumen, die an unterschiedlichsten Zeiten im Jahr blühten, im Bild gemeinsam in einer Vase stehen.
Die Kunst des Nachahmens
Die Maler ahmten die Formen und Oberflächen so getreu nach, dass man meinte, die Gegenstände anfassen zu können. Mit Pinsel und Farbe gelang es ihnen, die Zartheit des Porzellans, den Glanz des kostbaren Silberbestecks, den warmen Lichtschein der brennenden Kerze und die hölzerne Oberfläche der kunstvoll geschnitzten Meerschaumpfeife einzufangen. Die in den Stillleben gezeigten Gegenstände hatten meist auch eine symbolische Bedeutung. Die köstlichen Gerichte und der Tabak ermahnten die Betrachter*innen dazu, ein bescheidenes Leben zu führen. Sie riefen die Vergänglichkeit all dieser Genüsse sowie des Lebens an sich ins Bewusstsein.
Diese Gemälde prägten über Jahrhunderte die Vorstellung von einem Stillleben. Im Laufe 19. Jahrhundert wandten sich viele Künstler*innen davon ab, alles möglichst täuschend echt darzustellen. Auch die symbolische Bedeutung verschwand aus den Gemälden. Man hinterfragte die bis dahin gültigen Anforderungen, die an ein Kunstwerk gestellt wurden. Wer bestimmte, dass etwas Kunst ist? Was darf Kunst und was nicht? So entstanden völlig neue Kunstformen. Anfang des 20. Jahrunderts konnte plötzlich ein handelsüblicher Flaschentrockner ein Kunstwerk sein.

Willem Claesz. Heda, Frühstücksstillleben, Ölfarbe auf Eichenholz, 44.5cm x 64cm, um 1635, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Willem Claesz. Heda war ein niederländischer Porträt- und Stilllebenmaler des sogenannten "Goldenen Zeitalters". Er war berühmt für seine Mahlzeitenstillleben. Mit dem Pinseln konnte er die Gegenstände täuschend echt nachahmen.
10. Stillleben vs. Fallenbild
Daniel Spoerris Fallenbilder sind in gewisser Weise moderne Stillleben. Der Künstler hatte aber nicht den Wunsch, die Wirklichkeit mit Pinsel und Leinwand nachzuahmen und im Bild festzuhalten. Er fing sie einfach direkt ein - ein Stück Alltag des Jahres 1968 im Restaurant Spoerri. Statt auf fein gemaltes kostbares Porzellan trifft man hier auf echte Weingläser und Getränkeflaschen, auf schlichtes Geschirr und Besteck. Statt einer hübschen Meerschaumpfeife liegen hier unterschiedliche Zigarettenpackungen. Auch eine Kerze hat ihre Spuren hinterlassen.
"Ein Tisch aus dem Restaurant Spoerri" ist aber mehr als nur ein Stillleben, das sich von der Leinwand befreit hat. Denn der Künstler bestimmte nicht einfach, was sich wo auf dem Tisch befindet. Die Gäste taten dies und hinterließen ihre ganz persönlichen Spuren.
11. Zufall, Kunst und Leben
Daniel Spoerri ließ in "Ein Tisch aus dem Restaurant Spoerri" den Zufall bzw. die Gäste durch ihr zufälliges Handeln während des Essens darüber bestimmen, wie das Werk am Ende aussah. Er befestigte lediglich, was er auf dem Tisch vorfand. Mit seinen Fallenbildern führte Daniel Spoerri einen Gedanken fort, den sein Künstlerkollege Marcel Duchamp Anfang des 20. Jahrhunderts mit den sogenannten "Ready Mades" formuliert hatte. Marcel Duchamp hatte einen Flaschentrockner, der in einer Fabrik geschaffen wurde, zu Kunst erklärt. Daniel Spoerri spielte dieses Spiel auf seine Art weiter. Er vergab etwa während einer Aktion Lizenzen an seine Gäste, die es ihnen erlaubten, nach dem Essen die Reste selbst aufzukleben und ein Fallenbild zu erschaffen. Ein anderes Mal beklebte er Rollmopsgläser mit dem Etikett "Achtung Kunstwerk - begrenzt haltbar". Was tun? Das Kunstwerk aufbewahren oder es sich einverleiben? Das gleiche gilt für das Olivenöl, das 1996 aus den Oliven von Daniel Spoerris italienischem Olivenhain hergestellt wurde. "Eat Art" für den Salat oder die Vitrine.
Bis heute noch verwirrt "Ein Tisch aus dem Restaurant Spoerri" die Sehgewohnheiten. Es führt vor Augen, dass man noch immer klassische Gemälde oder Skulpturen in einem Kunstmuseum erwartet und nicht unbedingt Essensreste. Statt einer Leinwand hängt da ein alter Tisch an der Wand. Statt einer hübschen, fein gemalten Tafel mit edlem Porzellan trifft man auf aufgeklebtes schlichtes, gebrauchtes Geschirr und ausgedrückte Zigaretten. In Restaurant Spoerri gehen Kunst und Leben Hand in Hand, um Neugier zu wecken und das Leben ebenso wie die Kunst neu zu entdecken.

Daniel Spoerri, OLIO extra vergine Toscano di olivastra seggianese del oliveto di Daniel Spoerri, 1996, Kunsthalle Mannheim
© VG Bild-Kunst, Bonn 2022
12. Make:
Hier findet ihr Anregungen zu praktischen Aufgaben rund um das Thema "Restaurant Spoerri".